Warum wir Papier und 2D-Zeichnungen hinter uns lassen müssen
Der Einsatz von 3D-Modellen erhöht die Produktivität in Bauprojekten und spart gleichzeitig Zeit, Material und Arbeitskosten. Warum also setzen so viele Menschen immer noch auf Papier- oder 2D-Zeichnungen?
Werfen wir einen Blick auf die Gründe, warum Papier und PDF immer noch so beliebt sind und warum dennoch ein Wechsel zu einem BIM-basierten Prozess empfehlenswert ist.
Alte Gewohnheiten lassen sich schwer ablegen
Ein wesentlicher Grund für das Festhalten an 2D-Dokumenten oder Papierzeichnungen ist eine instinktive Ablehnung von Veränderungen. Menschen weichen nur ungern von Gewohnheiten ab und wenn sie während ihres ganzen Berufslebens ein und dasselbe System verwendet haben, fällt es schwer, dies zu ändern. Das ist auch der Grund, warum es so lange gedauert hat, bis automatisierte CAD-Systeme Handzeichnungen ersetzt haben.
BIM-Befürworter, die schon lange modellbasierte Softwarelösungen verwenden, sind jedoch fest davon überzeugt, dass 3D-Modellierung der Weg in die Zukunft ist. Øystein Ulvestad ist einer von ihnen. Bei Sweco Norwegen konnte er bereits bei mehreren Projekten Erfahrungen mit modellbasiertem Arbeiten sammeln, unter anderem beim Randselva-Brückenprojekt in Norwegen.
„Ursprünglich haben wir BIM-Modelle auf der Baustelle verwendet, weil wir nicht genügend Ingenieure hatten, um alle notwendigen Projektzeichnungen rechtzeitig fertigzustellen. Wir haben dann festgestellt, dass diese Arbeitsweise dem Auftragnehmer ein besseres Verständnis des Projektumfangs verschafft. Es gab uns auch eine viel bessere Kontrolle über die Stückliste und wir konnten unseren Entwurf bei Bedarf viel schneller ändern.“
Außerdem stellte Sweco Norwegen fest, dass die länderübergreifende Zusammenarbeit viel einfacher ist als früher, da ein BIM-Modell praktisch in jedem Land gleich aussieht. „Der größte Vorteil der modellbasierten Konstruktion ist jedoch, dass sie die parametrische Konstruktion ermöglicht. Bei der parametrischen Konstruktion stellt man dem Computer eine oder mehrere Regeln vor, auf deren Grundlage er dann konstruiert. Bei komplexen Strukturen wie der Randselva-Brücke mit vielen sich wiederholenden Arbeiten stellt die parametrische Konstruktion eine enorme Zeitersparnis dar. Darüber hinaus gewährleistet diese Art der Konstruktion eine stets gleichbleibende Qualität, Flexibilität und die Möglichkeit, unser Design bei der nächsten ähnlichen Konstruktion mühelos wiederzuverwenden,“ sagt Øystein Ulvestad.
Einschränkung durch Verträge
Viele Ingenieure, die 3D-Modellierung nutzen möchten, sind vertraglich noch immer an die Erstellung einer 2D-Zeichnungsdokumentation (PDF) gebunden. Die Planerstellung als Berechnungsgrundlage ist eine lange Tradition, die noch aus den Tagen stammt, in denen der Plan am Reißbrett erstellt wurde. Dabei ist der Plan als Abrechnungsgrundlage ungenauer und keinesfalls zeitgemäß. Die Anzahl der Pläne hängt vom Ersteller ab. Die Planungsleistung sollte sich an Projekterfolg und Projektvolumen orientieren. Insbesondere im Stahlbau wird dies zunehmend erkannt. Immer häufiger wird hier das Planungsbüro mit der Ablieferung eines 3D-Modells beauftragt. Eine Praxis, an der sich aber noch viel mehr Auftraggeber konsequent orientieren könnten. 3D-Modelle lassen sich leichter mit allen Projektbeteiligten teilen, einschließlich der Mitarbeiter vor Ort. Änderungen an 2D-Zeichnungen erfordern zu viel manuelle Arbeit und Speicherplatz, um effizient oder absolut genau zu sein. Im Gegensatz dazu können 3D-Modelle die automatische Aktualisierung aller zugehörigen Dokumentationen steuern und Aktualisierungen sofort geteilt werden.
Je genauer, desto besser
Digitale, konstruierbare 3D-Modelle bringen Klarheit in ein Projekt. Je ausgereifter und genauer das Modell ist, desto weniger Informationsanfragen bzw. RFIs (Request for Information) gibt es und desto weniger Rückfragen hat das Team auf der Baustelle. Ausführungsreife Modelle ermöglichen es dem Team der Planung und Ausführung, komplexe Bedingungen in drei Dimensionen vollständig zu verstehen, indem ein Projekt zuerst virtuell gebaut wird, bevor die Arbeit auf der Baustelle beginnt. Materialmengen können genau und im Voraus bestellt und geliefert werden, was den Überschuss reduziert und Geld spart. Diese Einsparungen können direkt an den Kunden weitergegeben werden.
Das gilt für Projekte jeder Größe. Das US-amerikanische Bauunternehmen Wayne Brothers hat bereits 2012 den Schritt von papierbasierten Zeichnungen hin zum 3D-Modell gewagt und die BIM-Software Tekla Structures eingeführt.
Der erste Einsatz von BIM fand direkt auf der Baustelle bei einem bereits geplanten Projekt statt. Die Bauteile wurden basierend auf den Informationen der Zeichnungen und der Vertragsunterlagen modelliert und alle Informationen in einem Modell gebündelt. Aus diesem detaillierten Modell gewannen die Ingenieure auch Daten für die Herstellung der Schalungs und Bewehrung. Wayne Brothers konnte so die Platzierung der Bewehrung in einem Modell überprüfen und die Bewehrung innerhalb von zwei Wochen fertigen und zur Baustelle liefern lassen. Mit BIM war dieser Prozess doppelt so schnell wie die traditionelle 2D-Methode und damit konnte das Projekt noch vor dem ursprünglich aufgestellten Zeitplan fertiggestellt werden.
Kollisionsfreier Bau durch modellbasierte Zusammenarbeit
Luminary ist ein Hochhaus in Finnland, das durch seine anspruchsvolle Hybridstruktur eine Herausforderung für Planer, Bauherren und Bauteams vor Ort gleichermaßen darstellt. Die strengen Toleranzanforderungen, die Komplexität und die Anzahl der Stockwerke, der hohen Bauweise und die sich ändernden Wünschen der zukünftigen Bewohner sind nur ein paar der zu beachtenden Faktoren. Der Erfolg des Projekts liegt auch hier in der modellbasierten Planung und Zusammenarbeit und der Nutzung der Modelldaten auf der Baustelle.
Das Bauunternehmen Betonirakenne Oinas Oy arbeitete modellbasiert und verwendete die Modelle der Tragwerksplaner als Grundlage für seine Arbeit. Das Bauunternehmen nutzte die Modelle von der Mengenermittlung über die Betonage-Planung, die Bewehrungsplanung und die Dokumentation bis hin zum Arbeitsmanagement vor Ort. Auf der Baustelle wurde das Modell vielseitig von Managern und Mitarbeitern an einem BIM-Kiosk genutzt – zum Beispiel zur visuellen Unterstützung von Installationen und Zimmermannsarbeiten.
Das Designteam konnte nahtlos zusammenarbeiten, indem es hochwertige und genaue Modelle verwendete und produzierte. Mit Cloud-Lösung Tekla Model Sharing konnten die Bauherren und der Fertigteilhersteller in Echtzeit auf das Modell zugreifen. Neben anderen Vorteilen ermöglichte die genaue Modellierung eine vollständig modellbasierte Baustelleneinrichtung für alle vorgefertigten Strukturen. Auch die Fertigteilhersteller können Daten direkt aus dem Modell in ihr Produktionsmanagementsystem übertragen.
Eine papierlose Zukunft der Baubranche?
Die Fakten sprechen also für sich. Mit BIM können Planungsbüros und Bauunternehmen Änderungen in Minuten statt in Stunden vornehmen, Materialien auf exakte Maße zuschneiden und viel effektiver zusammenarbeiten. 3D-Modelle tragen zu einem schnellen Verständnis des Gesamtprojekts bei und das in jeder Phase, von der Planung bis zur Ausführung vor Ort. Papierbasiertes Arbeiten ist fehleranfälliger und kann zu Mehrkosten und Verschiebungen im Zeitplan führen. Deshalb sind BIM und die papierlose Baustelle die Zukunft der Baubranche.
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Dieser Artikel erschien erstmals in der Bauprodukte digital, Ausgabe 2021, Ernst & Sohn.